Hier gibt es Lesehäppchen … skurril, kriminell, zauberhaft und auf jeden Fall anders als erwartet.

Immer mal eine neue Short Story für die kleine Pause zwischendurch, oder auch für Hartgesottene zum Abschalten vorm Schlafengehen ;-) Viel Vergnügen!


Bitte
scrollen ⬇️ 


DIE LIEBE 💘 

… ist ein zartes Pflänzchen 🌱, das gehegt und gepflegt sein will.
Und Dünger braucht es auch …


 Lychnis Chalcedonica  ❤️‍🔥  Brennende Liebe  


Anni bleibt stehen
und blickt verdutzt über den Jägerzaun hinüber zu ihren Nachbarn. Mitten auf dem grünen Rasen prangt dort ein Beet mit feuerroter Blütenpracht.

Am Montag, als Anni zu ihrer Fortbildungswoche losgefahren ist, war das noch nicht da! 

Und Nachbarin Simone hatte bisher nicht viel übrig für Blumenbeete. Spießig findet sie die. Und viiiel zu aufwendig. Simone will alles möglichst einfach haben. Und möglichst sofort. Und möglichst exquisit. 

Dass diese Wünsche in Erfüllung gehen, dafür sorgt Fred. Er kann sich das leisten. Ist irgendein hohes Tier in der Technologiebranche. Und dauernd unterwegs. Als Entschädigung sagt er: „ Ja, Liebling – natürlich, Liebling    gerne, Liebling“ … egal, mit was für Ideen Simone ankommt.

Jetzt  hat sie anscheinend beschlossen, den Garten umzugestalten. Neben dem Beet, dessen leicht hügelige, rechteckige Form Anni an etwas erinnert, was ihr aber im Moment nicht einfällt, stapeln sich leere Pflanzencontainer. Und inmitten der roten Pracht hockt ein Gartenzwerg, der eine verschnörkelte Laterne schwingt. 

Anni rümpft die Nase. Wohlhabend bedeutet nicht gleichzeitig Geschmack habend. Auch wenn die Beetfarbe zugegebenermaßen der absolute Hammer ist, wie sie neidvoll denkt. Da kommt ihr eigener Garten nicht mit. 

Sie wendet sich ab und zieht ihren Rollkoffer weiter zur Haustür.

„Schaaahatz!“, ruft sie während sie aufschließt und das Gepäck die drei Stufen hochhievt. „Jeheeens!“

Verwundert stellt Anni fest, dass ihr Mann nicht zu Hause ist. Aber na gut – sie hat durch Zufall einen ICE drei Stunden früher erwischt. Sie lächelt. Jens ist vermutlich noch einkaufen, bestimmt im Feinkostladen. Ein gemütlicher Samstagabend steht in Aussicht, mit gutem Essen, ein paar Gläschen Wein und einer Runde Kuscheln. Oder auch mehr. Anni lächelt noch breiter. 

Jens arbeitet von zu Hause aus, designt Layouts für kleine Online-Projekte. Kein Job, der reich macht, aber dafür hat Jens andere Qualitäten. Und sie als Produktmanagerin in der oberen Chefetage verdient gut genug.

Anni stellt den Koffer im Flur ab und wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel. Der nächste Friseurtermin ist bald fällig, Ansatz nachfärben. Für ihre Mitte Vierzig sieht sie gut aus, doch man darf nicht nachlässig werden. Und Jens ist acht Jahre jünger als sie.

Sie späht nach ihm Ausschau haltend, aus dem Fenster und ihr Blick verfängt sich wieder in Nachbars Garten.

Dieses Rot! Richtig provozierend. So was hat sie tatsächlich noch nicht gesehen hier im Ort. Was das wohl für obskure Pflanzen sind?

Anni beschließt, eine Stippvisite bei Simone und Fred zu machen. Sie hat ja noch Zeit mit dem Umziehen, wenn Jens einkaufen ist, dauert das immer ein bisschen. Zumal er erst in drei Stunden mit ihr rechnet. Anni eilt wieder aus dem Haus und kurz darauf drückt sie den Klingelknopf bei ihren Nachbarn.

Simone öffnet die Haustür und schrickt zusammen. „Du!“

„Wen hast du denn erwartet? Den Weihnachtsmann?“, lacht Anni.

Simone hat sich schon wieder gefangen. „Nee, nee, du bist nur ziemlich früh zurück.“

„Woher weißt du denn, wann ich zu Hause sein wollte?“, wundert sich Anni.

Simone zuckt nachlässig die Achseln. „Von Jens.“

„Aha“, sagt Anni verblüfft, fährt aber gleich neugierig fort: „Sag mal – dieses neue Beet da – mit den roten Blumen — was hast du denn da gepflanzt? Oder vielmehr, pflanzen lassen? Hast du ja sicher nicht alleine gemacht, oder?“

Simone lächelt breit. „Nee, nee, nicht alleine. Mit Nachbarschaftshilfe. Dein Jens hat mir sozusagen assistiert.“

„Was!“ ruft Anni.  „Der ist doch sonst nicht für Gartenarbeit zu haben. Bei uns jedenfalls nicht. Na, Bewegung tut ihm ganz gut. Wo er eh nur den ganzen Tag vorm Rechner hockt. Egal – jedenfalls haben die eine irre Farbe, deine Blumen da!“

Simone nickt zufrieden. „Lychnis Chalcedonica.“

„Lynchi- wie?“

„Lychnis Chalcedonica. Zu deutsch: Brennende Liebe. Eine mehrjährige Staude.“

„Und das wächst gut an auf eurem Rasen?“ Skeptisch betrachtet Anni die kurzgeschorene einheitsgrüne Fläche.

„Hm-hm“, nickt Simone,  „denke schon. Braucht nur nährstoffreichen Boden.“

„Wusst’ ich gar nicht, dass ihr den habt“, grübelt Anni.

„Jetzt schon …“, meint Simone. „Ist viel biologischer Dünger reingekommen in die Erde.“

„Aha“, macht Anni erneut. „Das merk ich mir, könnte Jens auch mal bei uns anlegen, so ein Beet. Und wo steckt dein guter Fred? Arbeitet der mal wieder das ganze Wochenende?“

Simone schüttelt den Kopf. „Nee. Der hat sich zur Ruhe gelegt.“

In diesem Moment hört Anni einen Motor und sieht Jens mit dem Wagen in ihre eigene Einfahrt biegen.

„Ich geh dann mal“, sagt sie eilig, und Simone nickt. „Viel Spaß.“

Bis Anni das Nachbargrundstück verlassen hat und wieder in ihrem Hof angelangt ist, ist Jens schon am Ausladen und gerade irgendwo verschwunden. Die Autoheckklappe steht weit offen und aus dem Kofferraum leuchten Anni feuerrot mehrere Blumenpaletten entgegen.

„Na sowas“, murmelt sie verwundert und ruft dann laut: „Jens? Hallo — Jeheeens! Wo bist du denn?“

Nach einem Moment der Stille kommt die Antwort. „Hier hinten. Im Garten.“

Anni folgt seiner Stimme und sieht ihren Mann, der hinter dem Haus gerade eine weitere Palette blutroter Lychnis Chalcedonica auf der Erde abstellt.

Neben einem Beet, dass er dort ausgehoben hat.

Aber Moment mal – wieso hebt man ein Beet aus? Das gräbt man doch allenfalls um.

Anni runzelt die Stirn. „Was machst du denn da?“

Jens sieht sie grimmig entschlossen am. „Ich arbeite an meiner Zukunft.“

„Was?“, fragt Anni verwirrt, während ihr Blick die Umrisse des Lochs nachverfolgt. 

Es hat in etwa die gleichen Ausmaße wie Simones neue Blumenpracht. Dann erkennt Anni, woran die Form sie erinnert.

Aber da hat Jens schon die große, schwere Schaufel ergriffen.

Und kurze Zeit später gibt es ein weiteres Beet voll brennender Liebe. 

Mehrjährig. 

Vielleicht sogar länger.

 

©️ Elea Jourdan / Gabriele Otto-Jourdan

 


Neues aus der Hexenküche:

Der Zwiebelgott

Gundula starrte betroffen in den graublauen Steingut-Topf, den sie gerade vom Küchenschrank heruntergeholt hatte. Die Zwiebeln im Topf sahen schlimm aus. Einige verdörrt, andere faulig, als hätten sie sich nicht entscheiden können, ob es zu warm, zu feucht oder zu trocken war an ihrem Lagerplatz. 
Kein Wunder — der Zwiebelgott fehlte! 
Gundula stellte den Topf weg, zog einen Stuhl heran und kletterte hoch, um auf dem Schrank nachzusehen. Nein, da war er nicht. Sie bückte sich und schaute unter den Schrank. Hier auch nicht. Verständnislos schüttelte sie den Kopf. Wo konnte er denn hin sein? 
Seit über zwanzig Jahren wohnte er im Zwiebeltopf. Seit über zwanzig Jahren hatte sie keinen Ärger mehr gehabt mit geschrumpften Zwiebeln, die nur noch aus raschelnder Schale bestanden; oder mit matschigen, die diesen süßlichen dumpfen Geruch verströmten. Egal, ob sommers oder winters, ob es heiß war oder frostig kühl, und ungeachtet des viel zu hellen Platzes, an dem der Topf stand — ihre Zwiebeln waren immer 1A. Fest, saftig und dabei monatelang lagerfähig. Alles, wozu man normalerweise einen Keller oder einen ordentlichen Vorratsraum brauchte, spielte keine Rolle in Gundulas Küche. Zumindest nicht für die Zwiebeln. Dafür sorgte der Zwiebelgott. Und jetzt war er weg. 
Eine leichte Panik befiel Gundula. Sie durchstöberte die Regale, zog Schubladen auf, guckte in Ecken, inspizierte Blechdosen, Kochtöpfe und sogar den Kühlschrank. Aber vergeblich. Der Zwiebelgott tauchte nirgends auf. 
Nach der erfolglosen Suche saß Gundula später grübelnd am Tisch und nippte an ihrem Tee. Es gab nur eine Erklärung: Der Zwiebelgott war entführt worden!

 

Jasmin drehte das grüne Ding stirnrunzelnd in der Hand hin und her. War das hässlich! Ein eiförmiger Steinklumpen, der auf einer Seite gleich zwei Gesichter besaß — je nachdem wie herum man ihn hielt. Merkwürdige Gesichter mit breiten Nasenflügeln, wulstigen Brauenbögen und einem gefräßigen  Mund mit großen gebleckten Zähnen. Jasmin meinte, eine entfernte Ähnlichkeit mit Aztekenkunst zu erkennen. Von den anderen Seiten und von hinten betrachtet, erinnerte das Gebilde an verwachsene Wirbelknochen oder einen Drachenrücken — sie konnte sich da nicht entscheiden. Nur, dass dieses Ding etwas verstörend Archaisches an sich hatte, und Jasmin nicht verstand, was es im Zwiebeltopf ihrer verrückten Schwiegermutter zu suchen hatte. 
Vor zwei Tagen war sie auf einen Sprung dort gewesen, um ein paar Flaschen Wein abzugeben, die sie und Mirko mitgebracht hatten von einer Jahrgangsverkostung. Gundula hatte die Flaschen gleich in den Keller geräumt. Und von unten heraufgerufen: „Nimm dir ruhig welche! In dem Steinguttopf, oben auf dem Küchenschrank!“ 

Zwiebeln natürlich, Jasmin brauchte nur eine für Salat. Sie hatte vergessen, welche zu kaufen. Als sie den schweren Topf vom Schrank angelte, kippte er um, eine kleine Flut perfekter goldfarbener frischer Zwiebeln überschüttete sie und dazwischen kollerte ein hartes Ding über den Fußboden. Beim Auflesen der Zwiebeln hatte Jasmin das Ding gedankenlos in die Manteltasche gesteckt. 

Eben kam Mirko nach Hause und fuhr leicht zusammen, als er sah, was Jasmin in der Hand hielt. „Ach du Schreck — wie kommst du denn an den?!“ 

Jasmin zuckte die Achseln. „Hab ich in der Küche deiner Mutter aufgelesen, aus Versehen. Was IST das denn?!“

„Leg‘ es lieber irgendwohin, wo es nicht kaputt geht, und bring’s morgen gleich zurück. Das ist unser Zwiebelgott.“

Jasmin starrte ihn ungläubig an. „Euer WAS?! Was in aller Welt ist ein Zwiebelgott?!“

„Naja ...“ Mirko kratzte sich verlegen am Kopf. „Das Ding hab ich mal gemacht, als ich so dreizehn oder vierzehn war. Aus einem Gipsklumpen geformt ... und dann mit Ölfarbe grün angemalt.“ 

Jasmin betrachtete das seltsame Objekt mit neuem Interesse. „Selbstgemacht? Donnerwetter! So gesehen hat’s was. Für den Kunstunterricht?“

„Nö, einfach so. Ich weiß gar nicht, wie ich auf die Idee dazu kam. Ich glaube, das war, nachdem ich mit meiner Mutter über irgendwelche Ureinwohner am Amazonas diskutiert hatte, und sie mir da gleich Vorträge zu magischen Bräuchen indigener Völker hielt und sowas.“  Mirko rollte mit den Augen.

„Aha. Aber wieso ist das Ding ein Zwiebelgott? Das ist doch wieder mal voll eine ihrer abgedrehten Ideen!“

„Tja, das ist aber so, solange ich mich erinnern kann. Meine Mutter hat das Teil damals in den Topf gelegt und gesagt:  — Das ist der Zwiebelgott, der sorgt jetzt dafür, dass unsere Zwiebeln immer frisch sind. — Und dabei ist es dann geblieben.“

Jasmin schüttelte den Kopf. „Du weißt schon, dass sie einen an der Klatsche hat, deine Mutter, oder?“

„Hat sie nicht!“ Mirko sah Jasmin verärgert an. „Sie ist ein bisschen nervig, aber ansonsten völlig normal.“

„Ha-ha-ha!“, machte Jasmin und legte den Zwiebelgott in die Obstschale.

 

Gundula hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Morgen war das Fest, sie musste noch einen neuen Besen kaufen, den Hut flicken und ihren Umhang bügeln. 
Aber vor allem — der Zwiebelgott musste wieder her! Wer zum Teufel konnte ihn mitgenommen haben? Sie würde Sybille fragen, obwohl sie das nicht gerne tat. Die kugelrunde Sybille war mit Vorsicht zu genießen. Sie wusste zwar alles und log auch niemals. Aber sie war auf ihre Art sehr verführerisch und machte Leute gerne von sich abhängig. Gundula blieb deshalb lieber auf Abstand. Aber diesmal ... nun ja ... 

Kurze Zeit später saßen sie gemeinsam am Küchentisch. Gundula auf einem Stuhl, Sybille mitten auf der Tischplatte, wie immer bequem auf ihrem dicken schwarzen Samtkissen.
„Also ...“ Gundula pustete einen Fussel von Sybille weg und legte sacht ihre Hand auf sie. „Der Zwiebelgott. Du weißt schon, der grüne Kerl aus der Küche ... Hast du vielleicht eine Ahnung, wo er sein könnte? Mir wäre lieber, er wäre wieder hier, bevor er noch was anstellt.“ 

Sybille blinkerte verschwörerisch und umwölkte sich. Dann stieg das Bild einer stylischen silbernen Obstschale in ihrem kristallklaren Inneren auf. Es zeigte einen beeindruckenden Berg von Früchten. Allerdings sah dieses Obst nicht mehr so super aus ... faulige Stellen an den Äpfeln, dunkelfleckige Bananenschalen, matschige Orangen und schimmlige Trauben. Und oben auf dem Berg thronte giftig grün und mit zwei missbilligenden Gesichtsausdrücken der Zwiebelgott. 

„Ärgs“, machte Gundula. „Der Arme. Aber Sybille, wo ist das denn? Obwohl mir diese Obstschale entfernt bekannt vorkommt. Irgendwo hab ich die schon gesehen. Warte mal ... ja, du liebes Bisschen — die steht doch bei Mirko und Jasmin im Wohnzimmer!“

Sybille funkelte zufrieden vor sich. Da hatte sie mal wieder jemanden beeindruckt. Und ein kleines Guddi zusätzlich würde Gundula nicht ablehnen können ... Sybille schimmerte verheißungsvoll bläulich auf und bevor Gundula den Blick abwenden konnte, offenbarte sie ihr ein Geheimnis.

„Ups!“, sagte Gundula überrascht, dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Wie auch immer, das sind sehr gute Neuigkeiten!“ 

Hochzufrieden packte sie die kugelrunde Sybille wieder in ihre Samtbox — nicht, ohne zuvor pflichtschuldigst ihre glatte Kristalloberfläche blankpoliert zu haben. Dann machte sie sich auf den Weg.

 

Jasmin rannte mit der Hand vor dem Mund ins Badezimmer und reiherte, das zweite Mal an diesem Tag. Der Anblick der Obstschale und der aufdringliche Geruch hatten ihr gerade das Mittagessen wieder hochkommen lassen. Das Obst, das gestern noch einwandfrei gewesen war, verwandelte sich zusehends in gärenden fauligen Brei, und Tausende kleiner Fruchtfliegen stoben in einer dichten Wolke auf, wenn jemand in die Nähe kam. Jasmin fand das Ganze so ekelhaft, dass sie es nicht über sich brachte, das Zeugs in den Biomüll zu kippen. Sie würde warten, bis Mirko nach Hause kam. 
Er konnte auch gleich dieses hässliche grüne Ding zu seiner verrückten Mutter bringen — diesen Zwiebelgott! Der hockte wie außerirdisches Steinobst oben auf den Früchten, wo sie ihn selbst am Abend zuvor hingelegt hatte. Jasmin glaubte fast zu sehen, dass der Ausdruck seiner zwei Gesichter noch missmutiger war als gestern. Es wäre zum Lachen gewesen, wenn es nicht so widerlich wäre, und — ja — nicht ganz so unheimlich ... 

Jasmin schauderte. Sie hoffte nur, dass Mirko später im Alter mal nicht nach seiner irren Mutter kommen würde ... Wie auf ein Stichwort hin schellte es und Jasmin hörte Gundulas Stimme aus der Gegensprechanlage:

„Jasmin, ich bin‘s! Mirko hat seine Jacke bei mir liegenlassen, die wollte ich nur kurz vorbeibringen!“

Jasmin öffnete widerstrebend die Tür und Gundula schlüpfte schnell in den Flur. „Hier riecht’s aber komisch“, bemerkte sie. „Kommt das aus dem Wohnzimmer?“

Jasmin verzog leicht verzweifelt den Mund. „Ja! Da ist dein Zwiebelgott dran schuld!“, entfuhr ihr es gegen ihren Willen.

Gundula lächelte. „Naja, er hat’s nicht so mit Obst! Kommt nur mit Gemüse aus.“ Sie zwinkerte scherzhaft, und Jasmin fragte sich einmal mehr, ob ihre Schwiegermutter nur viel Witz besaß oder ernsthaft verrückt war. 

Die war unterdessen schon im Wohnzimmer verschwunden, tauchte jetzt mit der Fliegen umschwirrten Obstschale wieder auf und steuerte die Hintertür zum Hof an, wo die Mülltonnen standen. Die leere Schale wusch sie kurz drauf in der Spüle gründlich ab, ebenso wie den Zwiebelgott, den sie sorgsam abtrocknete, in ein kariertes Küchenhandtuch wickelte und in ihre Jackentasche steckte.

„So, Jasmin, den nehm‘ ich wieder mit. Aber ich habe dir dafür was anderes mitgebracht. Pack’s ruhig nachher aus.“ Sie streckte ihrer Schwiegertochter ein in rosa Papier gewickeltes Päckchen entgegen, Jasmin griff automatisch danach. 

„Danke ...“, sagte sie verblüfft. 

Gundula lächelte. „Ich bin mir sicher, du kannst es brauchen. Und grüß Mirko schön!“ Damit ließ sie die verdutzte Jasmin stehen und machte sich, mit dem Zwiebelgott in sicherem Gewahrsam, wieder auf den Weg.

 

Am späten Abend hatte Gundula alles erledigt. Der neue Besen sah wirklich gut aus, ihr Ausgehhut war geflickt, der Umhang gebügelt und überhaupt alles in Butter. Sie seufzte zufrieden und dachte daran, dass sie morgen einen schönen Tag haben würde. Beziehungsweise eine schöne Nacht. Es war ideales Flugwetter. Nicht nur für Fledermäuse.

Und ihr machte es diesmal gar nichts aus, dass sie Mirko nie auf das Fest mitnehmen konnte. Gewisse Eigenschaften waren nun mal an das Geschlecht gebunden. Aber sie übersprangen problemlos eine Generation. Zufrieden kuschelte Gundula sich in ihr Kissen und sah beglückt sowohl der nahen wie auch der ferneren Zukunft entgegen. 

 

Jasmin hockte auf der Toilette und starrte fassungslos auf das Teststäbchen in ihrer Hand. Sie hatte es soeben ausprobiert, nachdem sie sich zuerst geärgert, dann gelacht und schließlich gedacht hatte: Was soll’s, tue ich ihr doch mal den Gefallen. Ich nehme die Pille, da kann Gundula noch ‘ne ganze Weile warten. 
Nun prangten zwei deutliche rosa Streifen auf dem Stäbchen, so rosa, wie die Babyschühchen, die ebenfalls in dem Päckchen ihrer Schwiegermutter gewesen waren. Zusammen mit der Gratulationskarte.

„Freut euch — es wird ein Mädchen, und es kommt ganz nach mir!“, stand dort in Gundulas schwungvoller Handschrift. Aufstöhnend schlug Jasmin die Hände vors Gesicht und merkte beinahe widerwillig, wie genau das passierte: Sie freute sich!

 

Gundula drehte sich im Schlaf lächelnd auf die andere Seite und träumte schon vom Tanzen. 
Die kugelrunde Sybille träumte in ihrer weichen Samtbox weiter von der Zukunft. 
Und der Zwiebelgott ruhte würdevoll tief im Topf in seinem Zwiebelbett. Seine zwei Gesichter trugen einen zufriedenen Ausdruck, vielleicht träumte auch er ... von welchen Dingen, bleibt ein Geheimnis ...

 

 

©️Elea Jourdan / Gabriele Otto-Jourdan

 


Erstelle deine eigene Website mit Webador